Gewerkschaft & Zivilgesellschaft im Dialog
Am 27. April 2021 lud die RENN.mitte-Koordinierungsstelle Brandenburg zum Online-Workshop. Vertretende von Gewerkschaften und der organisierten Zivilgesellschaft kamen zusammen, um sich zu fragen:
Gewerkschaften und Zivilgesellschaft im Lausitzer Strukturwandel. Kooperativ handlungsfähig für einen nachhaltigen Strukturwandel?
Fritz Walter moderierte das Gespräch, zu dem Peter Ligner (Brandenburg 21), Marion Scheier (Bürgerregion Lausitz) und Dagmar Schmidt (Lausitzer Perspektiven) eingeladen hatten. Besonderer Gast als Impulsgeber und Mitdiskutant war Prof. Dr. Klaus Dörre von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Fünf Thesen zum Transformationskonflikt in der Lausitz
Der Soziologe Klaus Dörre beschäftigt sich in seiner Forschung mit sozialökologischen Transformationskonflikten. Er ist Mitautor der Studien „Nach der Kohle“ und „Nach der Kohle II“, herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Dörre eröffnete den Workshop mit einer Einordnung gegensätzlicher Sichtweisen auf den Lausitzer Kohleausstieg. Er bezog sich auf Interviews mit LEAG-Beschäftigen und Braunkohle-Gegner*innen und schlug fünf Thesen zum „Transformationskonflikt“ vor, wie beispielsweise:
„Regionen existieren nicht voraussetzungslos, sie werden gemacht“ – und zwar nicht von allen, sondern maßgeblich von einzelnen Akteur*innen und Gruppen. Das verdeutlichte er mit einer weiteren These: „Es gibt ein kontrastives Bild der Region, die Braunkohlegegner sind definitionsmächtig“.
Da fühlten sich die einen oder anderen aus der Runde direkt angesprochen und waren zum Nachdenken angeregt. Ein guter Einstieg in einen konstruktiven Austausch miteinander.
Vier Listen zur Konsensfindung
Diesen Austausch strukturierte und leitete Fritz Walter mittels „Dynamic Facilitation“ (in etwa „Dynamische Moderation“). Er wählte damit eine
„… Moderationsmethode, die vor allem für schwierige, komplexe Themen geeignet ist, wie:
- strategische Fragen
- konfliktäre oder potenziell konfliktäre Themen
- Fragestellungen, die mit rigiden Werturteilen «aufgeladen» sind
- Themen, die eine versteckte Dimension haben
- vertrackte Probleme, an deren Lösbarkeit kaum einer mehr glaubt“
(Zur Bonsen, M.: Werkzeugkiste 12. Dynamic Facilitation, in: OrganisationsEntwicklung Nr. 3 (2007)).
Alle Äußerungen der Teilnehmenden wurden anhand von vier Listen als „Fragen (und Herausforderungen)“, „Lösungen (und Ideen)“, „Bedenken (und Einwände)“ oder „Infos“ eingestuft. Auf diese Weise ging keiner der Gedanken verloren, die rund um das Miteinander von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft formuliert wurden.
Drei Konvergenzen für die gemeinsame Weiterarbeit
Die Listen erlaubten es, Übereinstimmungen der Teilnehmenden zusammenzufassen. Welche Ideen und Anknüpfungspunkte für konkrete Schritte in Richtung „kooperativer Handlungsfähigkeit“ gibt es bereits?
- Die Teilnehmenden wollen verstärkt Räume für Diskurse schaffen und darin geteilte Grundlagen erarbeiten. Dabei geht es um Fragen, die ein*e Teilnehmende*r wie folgt formulierte: „Welche gemeinsamen Ziele haben wir denn? Was heißt es, die Gesamtheit der Konflikte zu benennen? Welche Möglichkeiten sind da?“
- Erst über diese Auseinandersetzung können gewerkschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteur*innen gemeinsam sprechfähig werden. Dabei kommen die Involvierten nicht umhin, ihre jeweils eigene Rolle als Akteur*in im Strukturwandel zu hinterfragen und sich in gegenseitiger Offenheit zu üben.
- Einzelne Teilnehmende wünschen sich realitäts- und praxisnahe nächste Schritte. Tendenziell werde zu viel gedacht und geredet und zu wenig gemacht. Vergleichsweise konkret ist die Idee, neue Modelle der Betriebsnachfolge und Arbeitsplatzsicherung in der Lausitz zu entwickeln. Hier böten sich Genossenschaften an. Ein anknüpfender Vorschlag ist das Schaffen von Unterstützungsangeboten für Arbeitnehmende, die in Betriebsnachfolgen genossenschaftliche Modelle anwenden möchten.
Klar wurde in diesem Workshop, dass der direkte Dialog den Teilnehmenden ein großes Anliegen ist und fortgeführt werden soll. Klar wurde auch, dass die Vertretenden aus Gewerkschaften und Zivilgesellschaft sich in der Pflicht sehen, den Einbezug von Bürger*innen zu intensivieren und diese zu stärken – und zwar vor allem außerhalb der Städte. Dass die Anzahl der interessierten und engagierten Akteur*innen wächst, begreifen die Teilnehmenden als Chance. Unter dem Strich ist ihnen aber ein konzentrierter Austausch wichtig:
„Große Konferenzen kann man alle zwei Jahre machen, angesagt sind jetzt kleinere Formate, wie heute.“
In diesem Sinne sind wir gespannt auf den weiteren Dialog und freuen uns, dabei zu sein.