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von Lausitzer Perspektiven e.V.

Lausitzer Erklärung

Die Lausitz liegt uns am Herzen. In Sorge um die Lausitz wenden wir, die Unterzeichnenden, uns deshalb mit dieser Erklärung an die Öffentlichkeit.

Wir sind in Sorge darüber, dass der in der Lausitz anstehende Strukturwandel nicht mutig und entschlossen genug angegangen wird. Wir sind beunruhigt darüber, dass ein Festhalten an überkommenen wirtschaftlichen Strukturen die soziale, ökonomische und ökologische Lebensfähigkeit unserer Region gefährdet.

Aber wir sind auch voller Zuversicht und willens, den Wandel mitzugestalten. Deshalb laden wir dazu ein, mit dieser Erklärung gemeinsam einen Aufbruch zu wagen: Die Zeit des Wartens auf Entscheidungen ist vorbei. Wir wollen, dass in 15, 20 oder 25 Jahren alle Menschen in unserer Region vorbehaltlos und stolz sagen können: „Die Lausitz ist auf einem guten Weg.“

Dafür müssen wir heute die Voraussetzungen schaffen. Der Weg dorthin wird schwierig sein. Zugleich sind wir überzeugt: Unsere Region kann diesen Weg mit Beharrlichkeit, Ausdauer und Kreativität bewältigen.

Brandenburger, Sachsen und Berliner, Sorben und Wenden, Niederlausitzer und Oberlausitzer, Deutsche und Polen in den Woiwodschaften Niederschlesien und Lebus, Einheimische, Zugezogene und Wahllausitzer, Eingewanderte und Eingebürgerte – unsere Vielfalt zeigt, über welchen Reichtum die vermeintlich strukturschwache Lausitz verfügt. Die Lausitz ist bunt und soll bunter werden!

Diese Vielfalt mit ihren zahlreichen Pionieren des Wandels und den bereits bestehenden, meist lokalen Organisationen, Gruppen und Initiativen ist der Nährboden für ein bürgerschaftliches Engagement, das sich über die gesamte Lausitz ziehen soll. Gemeinsam wollen wir einen Prozess einleiten und begleiten. Diesen Prozess verstehen wir als Denkwerkstatt und als Plattform, die Kräfte bündelt und freisetzt.

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Unser Optimismus des Gelingens für den vor uns liegenden Strukturwandel speist sich auch aus der jahrzehntelangen Erfahrung der Lausitz mit dem Bergbau. Über Generationen hinweg hat er Menschen in die Lausitz gebracht, hat über Jahrzehnte und bis heute vielen ein gutes Auskommen ermöglicht. Diese Arbeits- und Lebensleistung verdient Respekt. Mit Engagement Innovationen und Fleiß haben Generationen die Lausitz einschneidend verändert und sie zu dem gemacht, was sie heute ist. Für den anstehenden Veränderungsprozess wollen wir dieses Wissen und diese Erfahrung nutzen.

Zugleich ist es eine bittere Einsicht, dass das hergebrachte, dominierende Geschäftsmodell unserer Region kein auf lange Sicht tragfähiges ist. Es schmerzt, dass die Belange einer einzelnen Branche eine ganze Region polarisiert haben, bis hinein in einzelne Dorfgemeinschaften und Familien. Es schmerzt, wenn wir erkennen müssen: Mit einem ökologisch verträglichen Leben in unserer Region und letztendlich auf unserem Planeten ist es nicht vereinbar. Davor dürfen, können und wollen wir die Augen nicht verschließen.

Wir müssen ebenso wie immer mehr Menschen auf der Erde wahrnehmen, dass der aktuell stattfindende Klimawandel auch für uns und unsere Kinder eine ernste Bedrohung ist. Die daher weltweit zunehmenden Anstrengungen zum Umbau des Energiesystems und zur Reduzierung der Emissionen von Kohlendioxid stellen nicht nur für die Lausitz eine große Herausforderung dar. Es gilt sich dieser Herausforderung aktiv zu stellen und ein erfolgreiches positives Beispiel zu geben.

Deshalb appellieren wir an den Mut und die Entschlossenheit von Menschen, die sich für eine weitsichtige Politik starkmachen: Die Lausitz braucht mehr Vielfalt und die Überwindung von abhängig machenden Großstrukturen. Auf dem Weg dahin brauchen Wirtschaft und Gesellschaft Ermutigung, Ehrlichkeit und einen politischen Aufbruch.

Der politische Aufbruch, den wir uns wünschen, beginnt mit Nüchternheit. Hierzu zählt die Einsicht: Tausende gut bezahlter industrieller Arbeitsplätze im Bergbau werden sich nicht eins zu ein mit anderen industriellen Arbeitsplätzen ersetzen lassen. Der Umstieg auf stärker kleinteilige Wirtschaftsstrukturen und lokale Wertschöpfung wird mühselig sein. Hierfür gibt es keinen Masterplan.

Dennoch: Unsere Geduld geht zu Ende. Wir wollen nicht länger ertragen, dass Arbeit und Umwelt, Wohlstand und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gegeneinander ausgespielt werden. Wir setzen auf ein bewusstes Steuern und Gestalten des Wandels.

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Wir rufen deshalb Menschen in allen Teilen der Lausitz dazu auf, unsere Begeisterung für die anstehende Gestaltungsaufgabe zu teilen. Gemeinsam wollen wir darüber nachdenken, was es braucht, um „gutes Leben in der Lausitz“ zu ermöglichen. Und dann wollen wir gemeinsam darum ringen, mit welchen konkreten Schritten wir die Region weiterbringen können.

Dabei sagen wir deutlich: Das Thema Braunkohletagebau ist uns sehr wichtig. Wir Lausitzer wollen zeigen, dass eine Gesellschaft trotz erheblicher Konflikte Gräben überwinden und gemeinsam eine Zukunft gestalten kann. Nicht nur für die heute Lebenden, sondern auch für unsere Kinder und Enkel. So können wir für andere Regionen in der Welt mit ähnlichen Herausforderungen sogar ein Vorbild sein.

Wir wünschen uns ein „Wir!“ für die Lausitz. Landkreise, Kommunen und alle Einwohner sollen nicht als Wettbewerber und Kontrahenten auftreten, sondern als eine starke Kraft eines gemeinsamen Kulturraumes, der Lausitz heißt und Lausitz denkt: Lausitz. Weiter. Denken.

Dabei gibt es große Potentiale, die wir nutzen können:

  • Die größte Stärke der Region sind zweifelsfrei wir selbst – die Menschen der Lausitz. Die Menschen, die hier wohnen und arbeiten, bringen alles mit, was es für die zukunftsfähige Entwicklung der Region braucht. Eine lebenswerte Zukunft können nur die Lausitzerinnen und Lausitzer selbst schaffen.
  • Zu nennen sind der kreative Reichtum unserer Region, ein bislang unterschätzter Initiativ- und Unternehmergeist und das Potential der Vielfalt – all dies stellt in Betrieben und an Hochschulen, in zivilgesellschaftlichen Projekten und Initiativen, in Kommunen und Kirchengemeinden eine Kraft des Aufbruchs dar.
  • Zu nennen ist die Erfahrung mit 25 Jahren Wandel. Der harte Bruch nach dem Ende der DDR-Wirtschaft war für Viele bitter. Diese Erfahrungen haben uns vielfach aber auch nüchterner und widerstandsfähiger gemacht. Sie haben gezeigt, wie wichtig der soziale Zusammenhalt ist.
  • Zu nennen sind schließlich das industrielle Erbe, der tradierte Innovationsgeist und das damit verbundene Know-How in der Region. Wie wir hieran mit dem ökologischen Wissen des 21. Jahrhunderts anknüpfen können, ist für die Lausitz eine der Fragen, denen wir uns jetzt stellen wollen.

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Wir verstehen uns als Macherinnen und Macher. Wir laden dazu ein, sich gemeinsam auf den Weg zu machen – dieser Weg beginnt mit einer breiten Debatte über das „gute Leben in der Lausitz“.

Anmerkung: Wenn wir von der Lausitz sprechen, dann beziehen wir uns auf den historischen Kulturraum Lausitz, der von Süd-Brandenburg bis ins Zittauer Gebirge reicht und die polnischen Woiwodschaften Niederschlesien und Lebus einschließt. Der Begriff Strukturwandel bezeichnet im Kern dabei all das, was in großen Teilen der Lausitz im Zuge der schrittweisen Abwendung von den fossilen Energieträgern bewerkstelligt werden muss.

 

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