„Perspektiven für Wissenschaft und Forschung“
Die Lausitz braucht mehr Forschung auf dem Weg zu einer Modellregion für die postfossile Transformation!
Beim vierten Kamingespräch am 1. Dezember 2017 waren die Lausitzer Perspektiven und rund 30 Interessierte bei der BTU Cottbus-Senftenberg zu Gast. Hier schafften sie einen Raum für die Vorstellung von Studienergebnissen, einerseits mit übergeordnetem Charakter zum „guten Leben in der Lausitz“ und im zweiten Teil speziell zur Entwicklung der Forschungslandschaft in der Region.
Vierzehn Studierende aus verschiedenen Studiengängen der BTU Cottbus und aus vier Ländern hatten sich sechs Tage lang in zwei Workshops Gedanken über die Perspektiven der Lausitz gemacht. Leitfrage dabei war, wo sie die Region im Jahr 2050 sehen, nachdem sich die Lausitz unabhängig von fossilen Großunternehmen frei entwickeln konnte. Im Kamingespräch stellten sie die Ergebnisse ihrer Projektarbeit vor.
Es dominierten Visionen von nachhaltiger Mobilität und Energieversorgung, innovativen Technologien, autarken Wohnsystemen und kommunaler Mitbestimmung. Welzow wurde zum Energiezentrum mit Kombikraftwerk aus schwimmenden Solarpaneelen, Windturbinen und Pumpspeicher, Cottbus das Zentrum des Wissens und Görlitz das Logistikzentrum „im Herzen der EU“. Drumherum weitreichende Seenlandschaften, ökologische Landwirtschaft, Orte des Treffens, der Bildung, der Kinderbetreuung. Und im Alltag haben Ücken und Öcken Einzug gehalten, eine Regionalwährung, die die lokale Wirtschaft und den Gemeinschaftssinn innerhalb der Lausitz stärkt.
Diese und andere zukünftige Ideen eines Leitbildes für die Lausitz benötigen einerseits eine Plattform auf der sich Bürger treffen, philosophieren, kalkulieren und Projekte gemeinsam finanzieren können aber auch eine generelle finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern. In der anschließenden Diskussion wurde klar, dass der Strukturwandel in der Lausitz längst begonnen hat und sich viele Bürger und Unternehmen in einer stetigen Anpassungsphase befinden. Es wurde appelliert an die Offenheit der Menschen gegenüber neuen Perspektiven und Arbeitsplätzen.
Im zweiten Teil des Abends stellte Professor Jan Schnellenbach, Wirtschaftswissenschaftler an der BTU Cottbus ein von Lausitzer Perspektiven in Auftrag gegebenes Gutachten zur Forschungslandschaft in der Lausitz vor. Die Analyse machte anfänglich zunächst eines klar: Die Lausitz hat zuallererst ein Problem mit dem demografischen Wandel, der bereits heute auf eine dünne Besiedlung in der Region trifft. Dieser Umstand machen das Leben und die Infrastruktur teuer. Laut dem Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg [IFEU] fällt bis 2030 ein Drittel der Erwerbsbevölkerung der Lausitz weg. Dies und nicht die prognostizierte „Massenarbeitslosigkeit“ als Folge des Braunkohleausstiegs sei das vorrangig anzugehende Problem in der Region. Es gelte die Strukturpolitik gänzlich zu novellieren, so Jan Schnellenbach. In der Vergangenheit habe man mit viel Aufwand versucht, Großunternehmen in die Region zu holen und finanziell zu fördern, damit diese gute Arbeitsplätze bereitstellen. Diese Strategie sei auf Dauer jedoch nicht wirklich erfolgreich ausgelegt – versiege die finanzielle Unterstützung, wanderten die Großunternehmen wieder ab. Aus diesem Grund gelte es, kein Geld in einzelne Branchen, sondern eher in die Stärkung des Humankapital der Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) zu stecken, die allgemeinen Standortbedingungen zu verbessern und eine lebenswerte Region herzustellen.
Ein grundlegender Baustein der Strukturentwicklung kann auch die Stärkung der Forschungsinfrastruktur sein, so das Ergebnis des von Jan Schnellenbach vorgestellten Gutachtens. Die BTU Cottbus stelle im Brandenburger Teil der Lausitz die einzige Hochschule dar. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung seien im bundesweiten Vergleich in Brandenburg und speziell in der Lausitz besonders gering. Es fehlt zudem auch an außeruniversitären Forschungsinstituten für die angewandte und industrienahe Forschung, wie zum Beispiel Fraunhofer-Institute. Die Etablierung solcher außeruniversitärer Forschungseinrichtungen würde auch die Ansiedlung und Kooperation von und mit mittelständischen und großen Unternehmen nach sich ziehen. Bisher gebe es noch kein eindeutiges Kompetenzfeld in der Lausitz, dessen sich ein Fraunhofer in jedem Fall annehmen müsste. Mögliche Bereiche wären Metall, Energie, Kunststoff, Chemie. Das Land Brandenburg engagiert sich hier bereits mit der Finanzierung von drei Fraunhofer-Projektgruppen.
Im Ergebnis der anschließenden Diskussion ist festzuhalten, dass viele Teilnehmer den Ausbau der Forschungslandschaft in der Lausitz als wichtigen und wünschenswerten Beitrag der künftigen Strukturpolitik sehen. Die zu erwartenden Strukturmittel der Bundesregierung sollten daher gezielt in die Entwicklung entsprechender Forschungseinrichtungen vor Ort investiert werden. Damit die KMU in der Lausitz von solchen Forschungseinrichtungen auch wirklich profitieren sollten zudem Strukturen unterstützt werden, die als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis fungieren und den Wissenstransfer zwischen beiden Bereichen effizient organisieren können. Ein nächster Schritt für Lausitzer Perspektiven ist es daher, sich in die Debatte um die Verteilung der Strukturmittel innerhalb der Lausitz einzubringen und hier durch konkrete Beiträge, wie das Gutachten zur Forschungslandschaft, die Diskussion zu bereichern.