Tagebauregion Lausitz als Vorbild für Ostgroßpolen
Die Braunkohle wird in der Lausitz seit vielen Jahren abgebaut, aber jede*r weiß, dass die Ära dieses Brennstoffs zu Ende geht. Ähnlich verhält es sich in Ostgroßpolen. Deshalb reiste ein Team von Vertretern dieser Region vom 30. März bis 2. April zu einem Studienbesuch nach Deutschland. An der vom Polnischen Grünen Netzwerk und Lausitzer Perspektiven organisierten Reise nahmen Vertreter*innen des Instituts für die Grüne Zukunft, der Agentur für regionale Entwicklung in Konin, der Handelskammer Konin, Bergleute des Braunkohlekonzerns ZE PAK, ein Journalist der Gazeta Wyborcza Poznań und ein Journalist des ostgroßpolnischen Portals lm.pl teil.
Vier Tage lang hatten die Akteur*innen aus Großpolen die Möglichkeit, zu erfahren, wie die Lausitzer Region den seit über 30 Jahren andauernden Wandel bewältigt. Sie hatten die Gelegenheit, mit politischen Vertreter*innen, lokalen Behörden, Nichtregierungsorganisationen und wissenschaftlichen Kreisen zusammenzutreffen, die an den Transformationsaktivitäten in der Region beteiligt sind.
Am ersten Tag fand in Gubin ein Treffen mit dem lokalen Aktivisten Andreas Stahlberg statt, der auf schwerwiegende Umweltprobleme infolge der Ausbeutung der örtlichen Minen hinwies. Das Ausmaß der durch den Bergbau in Jänschwalde verursachten Schäden ist gravierend. Straßen, die mehr als einen Meter tief sind, oder ausgetrocknete Feuchtgebiete, die ihre Funktion als Dürre- und Hochwasserschutz nicht mehr erfüllen können. Die Delegation erfuhr, wie und wo die betroffenen Gemeinden Gelder für die Rekultivierung der geschädigten Umwelt und die Behebung beantragen können. Am selben Tag fand ein Treffen mit Dr. Klaus Freytag, dem Bevollmächtigten des brandenburgischen Ministerpräsidenten für die Lausitz, statt. Freytag informierte die Gäste aus Großpolen über die Errichtung neuer Produktionsanlagen in den Kohleregionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Menschen, die den Bergbau verlassen. Er betonte, dass grüne Energie die treibende Kraft hinter vielen Investitionen sein kann.
Am zweiten Tag trafen die polnischen Interessenvertreter*innen in der Stadt Welzow, die in der Nähe des gleichnamigen Bergwerks liegt, mit der Bürgermeisterin zusammen. Sie erfuhren, dass die kleineren Lausitzer Städte ein Problem mit der Ausarbeitung geeigneter Projekte zur Unterstützung des lokalen Wandels haben, da die meisten Gelder für diese Aktivitäten in die größeren Städte fließen. Darüber hinaus betonte die Bürgermeisterin, dass der Prozess des gerechten Übergangs schnell vonstatten gehen muss. Es sei ein entschlossenes Handeln der Verwaltung erforderlich. Daher sei es wichtig, dass die Kohleregionen in das Gesetz zur beschleunigten Planung einbezogen werden, damit die Verwaltungstätigkeit den gesamten Prozess nicht unnötig in die Länge zieht.
Im zweiten Teil des Tages traf die polnische Delegation in Raddusch mit Sozialunternehmer*innen und Engagierten zusammen. In dem Spreewalddorf sitzen Initiativen, die versuchen, die Veränderungen, die sich durch die Transformation ergeben, aufzunehmen und mitzugestalten. Das Anlegen von Permakultur-Gärten oder die Umnutzung verlassener Gebäude für nachhaltige Regionalentwicklung und sozialunternehmerische Zwecke stärkt die lokalen Bindungen und spricht für Raddusch als einen lebenswerten Ort. Dies ist besonders wichtig in einer Region, die nach der Schließung von Bergwerken und Industrieanlagen mit demografischen Problemen zu kämpfen hat. Nach Angaben der örtlichen Vereine zahlt sich diese Arbeit aus. Immer mehr Lausitzer*innen kehren aus dem Exil zurück, weil sie sehen, dass sich die Region wieder entwickelt, und zwar auf eine nachhaltigere Weise als zu der Zeit, als ihr einziger Reichtum die Kohle war.
Am vorletzten Tag besichtigte die Gruppe die F60 – die größte Förderbrücke der Welt, mit der der Abraum in die Mine gebracht wurde. Das Bauwerk ist über 500 m lang und kann seit den 1990er Jahren besichtigt werden. Anschließend begab sich die Reisegruppe in die Zentrale des IBA Studierhauses. Stadtplaner Professor Rolf Kuhn empfing die Gäste und sprach darüber, wie sich der Lausitzer Raum in den letzten 20 Jahren verändert hat. Dank der Zusammenarbeit von Stadtplaner*innen, Architekt*innen, Kommunalverwaltungen und Künstler*innen entstanden neue soziale, wirtschaftliche und touristische Funktionen in der Region. Heute kommen jedes Jahr Hunderttausende von Tourist*innen in die Lausitz. Sie besuchen das ehemalige Kohlerevier wegen der industriellen Denkmäler. Besucher*innen werden auch von den Seen angezogen, die durch die Flutung der Tagebaue entstanden sind.
Der Studienbesuch diente dem deutsch-polnischen Erfahrungsaustausch und legte den Grundstein für die weitere Zusammenarbeit. Die Lausitz erwies sich als wertvolle Inspirationsquelle für Transformationsaktivitäten in Ost-Großpolen.