Aus den Projekten

von Valentina Troendle, Marie Schega

Teilhabe durch Permakultur

In unserem letzten Beitrag haben wir die SPREEAKADEMIE vorgestellt und einen Überblick über ihre Aktivitäten gegeben. Heute sehen wir uns eines ihrer zahlreichen Projekte genauer an: Die Verwandlung von vier Kleingartenparzellen in einen permakulturellen Lern- und Gemeinschaftsgarten.

Perma-wie? Permakultur – altes Wissen in neuem Gewand
Mit Permakultur werden sich selbst erhaltende, natürliche Kreisläufe in Landwirtschaft oder Gartenbau geschaffen. Sie ist „dauerhafte Landwirtschaft“ (aus dem Englischen: perma = permanent/fortlaufend und agriculture = Landwirtschaft) und als solche zu Recht beliebt. Insbesondere eine jüngere Generation nachhaltigkeitsbewusster Gärtner, Landwirte und Landschaftsgestaltender und die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) pflegt und fördert sie. Permakultur ist also in – doch dabei viel mehr als nur hip und alles andere als neumodisch. Immerhin wurde sie schon in den 1970er Jahren in Australien als Konzept benannt. Doch selbst damals war Permakultur keine neue Erfindung ihrer „Väter“ Bill Mollison und David Holmgren. Ihren eigentlichen Ursprung hat sie in den natürlichen Anbaumethoden der indigenen Völker Australiens zur Schaffung und Nutzung stabiler Ökosysteme. Wer die Zusammenhänge verstehen möchte, muss hier tiefer einsteigen. Wir möchten aber wenigstens erwähnen, dass die Geschichte der Permakultur eine Geschichte der ständigen Neuaneignung und Weiterentwicklung von bereits vorhandenem Wissen ist.

Der Radduscher Lern- und Gemeinschaftsgarten
Die SPREEAKADEMIE nutzt und vermittelt Permakultur für die lokale Praxis. Die Möglichkeit dazu schafft das Projekt „Teilhabe durch Permakultur“, das vom Förderprogramm „Nachhaltige Entwicklung – Lokale Agenda 21“ des Landes Brandenburg teilfinanziert wird.
Vier Parzellen der örtlichen Kleingartensparte „An der Eisenbahn e.V.“ werden gemeinsam mit Radduscher*innen zum „Lern- und Gemeinschaftsgarten Raddusch“ entwickelt. Sogar ein solarstrombetriebenes Tiny-House und eine Pflanzenkläranlage sollen darin Platz finden. Das Projekt dient damit der Erprobung permakultureller Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei werden Möglichkeiten für den Garten- und Landschaftsbau auf die soziale Ebene übertragen: Permakultur ist eine Form des ökologischen Landbaus, die gezielt Beteiligung, Mitgestaltung und Teilhabe ermöglicht – stabiles Ökosystem, stabile Gemeinschaft, stabile Entwicklung.

Die Anleiterin der Permakulturgestaltung Marie Schega resümiert:
Was ich an der Permakultur richtig gut finde, sind die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der drei ethischen Grundprinzipien: Sorge für die Erde, Sorge für unsere Mitmenschen und fairer Konsum. Für mich heißt das innerhalb und außerhalb des Gartens, die Welt aus mehreren Perspektiven zu betrachten und dabei die Anforderungen verschiedener Akteure in Erwägung zu ziehen.

Für die Permakultur sind also klimatische und soziale Einflüsse gleichermaßen bedeutsam. Es ist von Vorteil, wenn pflegeintensivere Pflanzen wie Tomaten über kurze Wege erreichbar sind und es spielt eine Rolle, aus welcher Richtung der Wind weht. Eine aus Astschnitt angelegte Hecke, eine sogenannte Benjeshecke oder Totholzhecke, kann sowohl Windschutz bieten, als auch als Blickschutz dienen und damit Privatsphäre schaffen. Sie braucht kaum weitere Pflege und bietet gleichzeitig Lebensraum für Insekten, Vögel und Kleintiere.

Permakultur fördert damit auf pragmatische Weise ökologische Vielfältigkeit und baut ein energiesparendes, ressourcenschonendes und resilientes Ökosystem auf. Auf sozialer Ebene sind die Stichworte Kooperation und Integration gefragt: für die SPREEAKADEMIE steht deshalb schon während der Planungsphase das Zusammenkommen verschiedener Akteure vorne dran. Vorgespräche und Visionsworkshops dienen dem Äußern von Wünschen, dem Austausch von Ideen, dem Festhalten von Besorgnissen, dem Erwägen von Beziehungen und dem Aufnehmen von Wissen und Erfahrungen. In der permakulturellen Gestaltung geht es schlussendlich darum, ökologische und soziale Zusammenhänge zu verstehen und Vernetzungen zu unterstützen.

Ob Wandel oder Krise, im Kleinen oder Großen – Permakultur macht Sinn
Heben wir den Blick über die lokale Ebene hinweg, lassen sich permakulturelle Prinzipien weiter übertragen: Kleinteiligere und miteinander vernetzte Wirtschaftsräume machen Krisen weniger verheerend. Bricht ein Standbein ein, kann das Gewicht auf ein anderes verlagert werden.

Monokulturen sind anfällig für Schädlinge oder Wetterextreme und insgesamt bietet Mischanbau gegenüber der Monokultur wichtige Vorteile: Die kombinierten Gemüsesorten halten einander Schädlinge fern. Die Sorten haben einen unterschiedlichen Wasserbedarf, weshalb bei Dürre nicht alle vertrocknen. Nicht zuletzt können die Pflanzen sich gegenseitig im Wachstum fördern, weil sie unterschiedliche Nährstoffanforderungen haben. Schließlich liefert auch die Corona-Pandemie ein so aktuelles wie anschauliches Beispiel für die Nachteile von Monokulturen: Landwirte, die Pommes-Kartoffeln im großen Stil anbauen sind durch die Schließung von Gastronomie und Großküchen mit erheblichen Umsatzeinbußen konfrontiert. Sie bleiben auf ihrer Überproduktion sitzen. Kleinere, ökologisch und regional wirtschaftende Lebensmittelproduzenten wie Solidarische Landwirtschaften hingegen erleben durch die Pandemie eine gesteigerte Nachfrage.

Auch das Vorhaben der SPREEAKADEMIE steht unter veränderten Vorzeichen. Die aktuellen Bedingungen erfordern Flexibilität und Umdenken. Zwar wird die Gruppe von Teilnehmenden kleiner gehalten als am Anfang gedacht, nichtsdestotrotz sind unterschiedliche Gemeindevertreter auf digitalem Wege dabei: die Radduscher Kita, der Kleingartenverein, ortsansässige Hobbygärtner und Sozialunternehmen sowie Vertretende von Lausitzer Perspektiven. Mehr über die Erfahrungen während des gemeinsamen Gestaltungsprozesses veröffentlicht die SPREEAKADEMIE in den nächsten Wochen in einem Handlungsleitfaden – wir werden dazu auf dem Laufenden halten.

 

Hier gehts zum Handlungsleitfaden, wie Permakultur Teilhabe an der Dorfentwicklung stärken kann.

Fotocredits: Paul Glaser

Das Projekt wird teilfinanziert durch das Förderprogramm AKTION NACHHALTIGE ENTWICKLUNG – LOKALE AGENDA 21.

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